Experten treffen auf Bürgerfrust

 Es könnte ein krasser Kontrast werden: Der nordrhein-westfälische Landtag erwartet am Freitag mehrere Hundert aufgebrachte Bürger, wenn dort eine Reihe von Sachverständigen die heftig umstrittenen Straßenausbaubeiträge für Grundstückseigentümer bewerten. Der SPD-Kommunalexperte Stefan Kämmerling rechnet beim Blick auf die von den einzelnen Fraktionen besetzte Experten-Liste damit, dass diese mehrheitlich dafür plädieren ­werden, die Beiträge beizubehalten: „Wir erwarten ein völlig verzerrtes Bild aus den Stellungnahmen.“

Dabei hörten ihnen auf der mit 300 Plätzen ver­mutlich voll besetzten Zuschauertribüne des Landtags in Düsseldorf aber vor allem verärgerte Bürger zu. „Ich habe eine solche Protest­bewegung noch nicht ge­sehen“, erklärte am Dienstag auch SPD-Fraktionsvize Christian Dahm.


Doch der Steuerzahlerbund NRW als eigentlicher Initiator dieses Protestes und der nach eigenen Angaben mit 460 000 Unterschriften erfolgreichen Volksinitiative zur Abschaffung der Straßenausbaubeiträge ist Freitag nicht eingeladen. Auch nicht Eigentümerverbände wie Haus und Grund. Dabei geht es in der Expertenrunde um einen Gesetzentwurf der SPD, die die Straßenausbaubeiträge abschaffen und die Kommunen finanziell entschädigen will.


Die Regierungskoalition von CDU und FDP lehnt das ab und hat eigene Vorschläge angekündigt, mit denen sie überhöhte Forderungen und soziale Härten reduzieren will. Die stehen weiter aus. Viele Kommunen legten Entscheidungen über den Straßenausbau auf Eis, weil die Haltung des Landes unklar sei, monierte Dahm.


Nach einer Aufstellung der SPD-Fraktion haben inzwischen mindestens 56 Stadt- oder Gemeinderäte eine Resolution verabschiedet, die ein Ende der Straßenausbaubeiträge zum Ziel hat. Diese Beschlüsse seien unab­hängig von politischen Lagern gefasst worden, sagte Kämmerling vor Journalisten. In 21 Kommunen regierten CDU-Bürgermeister, in 19 weiteren SPD-Parteifreunde und in 16 parteilose Bürgermeister. Bemerkenswert: Nur im Münsterland sei keine derartige Resolution verabschiedet worden.


NRW sei das letzte Flächenland, in dem Kommunen die Grundstückseigentümer verpflichtend zur Kasse bitten müssen, wenn etwa die Straße vor ihrer Tür erneuert wird, kritisierte Dahm. Zugleich mahnte er, die Abgabe dürfe nicht als Option ins Belieben der Kommunen gestellt werden. Ohnehin sei der Verwaltungsaufwand unverhältnismäßig hoch und verschlinge in größeren Städten schnell 50 bis 70 Prozent der Einnahmen.


Auch wenn er nicht ge­laden ist, hat der Steuer­zahlerbund seine Position den Abgeordneten schriftlich übersandt. Kernsatz: „Der Straßenausbaubeitrag ist eine unzeitgemäße Ab­gabe, die keine Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Abgabeschuldner nimmt.“ Einen Volksentscheid kann der Verband nicht initiieren, weil die Verfassung Beschlüsse mit Auswirkung auf den Landeshaushalt nicht erlaubt.


Die zahlreichen Zuhörer am Freitag werden die Diskussion aber genau ver­folgen. „Es können so viele zuhören, wie wir Plätze haben“, sagte ein Landtags­sprecher gestern. Außer auf der Tribüne des Plenarsaals könnten Besucher die An­hörung in einem weiteren Saal per ­Videoübertragung – oder zu Hause via Internet – verfolgen.

 

 

Hilmar Riemenschneider